Textdichter, Musikschreiber, Mallehrer, Papa, Ehemann und Trollgehilfe
Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern. Ich war sechzehn Jahre jung, stöberte in einer Bücherei herum und bekam dabei eine kleine Fibel zwischen die Hände: die Rede des Häuptlings Seattle an den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Dort hieß es „Jeder Teil dieser Erde ist meinem Volk heilig, jede glitzernde Tannennadel, jeder sandige Strand, jeder Nebel in den dunklen Wäldern, jede Lichtung, jedes summende Insekt ist heilig, in den Gedanken und Erfahrungen meines Volkes …“
Dieses Weltverständnis lag mir viel näher als die ermüdenden Theorien am mathematisch-naturwissenschaftlichem Gymnasium, wo man uns beibringen wollte, dass Wasser aus H2O besteht.
Aber Wasser ist doch viel mehr: Es ist die Nebelfee, die geheimnisvoll aus den Flüssen steigt, das Eiskristall, das zu glitzernden Kunstwerken gefriert. Jedes ist einzigartig. Keine Schneeflocke gleicht der anderen.
Ich bin aufgewachsen in einem kleinen Dorf zwischen Bad-Tölz und Geretsried. Das tiefe, dunkle, unheimliche Moor im Osten und die grüne Isar im Westen, wo es jede Menge Kreuzottern gab, waren meine Abenteuerspielplätze.
Mit vierzehn Jahren habe ich eine Gitarre bekommen und als ich die ersten drei Akkorde greifen konnte, habe ich mein erstes Lied gedichtet. Ich habe gemalt, Theater gespielt, im Zivildienst bei behinderten Kindern für Stimmung gesorgt und bin schließlich – ich weiß nicht wie – auf der Akademie der Bildenden Künste in München gelandet. Als Schüler von Horst Sauerbruch bekam ich mit, dass alle künstlerischen Regungen, die aus dem Inneren kommen, wertvoll sind. Und so habe ich mich munter hineingeworfen ins kreative Chaos:
Auf die Idee eines Kindertheaters musste ich erst gestoßen werden. Matthias Isenmann, Maurermeister und ehemaliger Kleinkunstwirt hat alle Kinder aus dem Gai in der alten Waldarbeiterkantine Kant´n in Neuhaus zusammengetrommelt und mich beauftragt, den munteren Haufen zu bespaßen. Einen alten Pelz aus dem Theater hatte ich noch in meiner Requisite. Bei der Ideenfindung habe ich mich mit den Rauhnächten beschäftigt, mit Brauchtum und nordischen Märchen. Und da tummeln sich die Trolle: Kleine freundliche Wesen, wie der Tomte, der den armen ausgehungerten Fuchs mit Brei füttert. Oder mächtige Urgeister, größer als ein Berg. Diese zotteligen Naturgeister habe ich ins Herz geschlossen. Sie sind geheimnisvoll, leicht unheimlich, fast koboldhaft, mit herzerfrischender Derbheit gerne zu Scherzen aufgelegt.
Inzwischen sind auch meine eigenen Kinder auf die Welt gekommen und wir haben uns zu einer 7-köpfigen Familie gepatchworkt.
Was mich ein wenig traurig machte, war die Beobachtung, dass sich viele Kinder in unserem Hof stundenlang mit den ersten Gameboys beschäftigten, anstatt im Wald auf die Bäume zu kraxeln. So gestaltete sich der Wurliz in mir zu einem anarchischen Treibauf, der sich mit trolligem Vergnügen über die Gewohnheiten dieser seltsamen Zweibeiner lustig macht.
Wer hätte damals gedacht, dass sich Suchtprävention nicht nur auf schlechte Ernährung bezieht, sondern auch auf den Konsum von elektronischen Geräten? Suchtprävention – so hieß auch der Fördertopf vom Bayerischen Landesjugendamt, der 2002 jeden Trollauftritt bezuschusste. Seitdem konnte ich mich vor Anfragen kaum retten, spielte in manchen Jahren weit über hundert Trollkonzerte, was mir bei der Finanzierung meines Studiums sehr zu Gute kam.
2007 habe ich mein zweites Staatsexamen abgeschlossen und bin seitdem Kunsterzieher am Gymnasium. Auch in der Schule bin ich darauf gekommen, dass mir neben der Vermittlung künstlerischer Fertigkeiten vor allem werteorientierte Bildung am Herzen liegt. In unzähligen Projekten haben wir Themen wie Artenschutz, Müllvermeidung, Integration von Flüchtlingen, Alltagskompetenz usw. fächerübergreifend bearbeitet.
Heißt es nicht auf der ersten Seite unseres Lehrplans als oberstes Erziehungsziel: „… die Liebe zu Gott, Natur und Umwelt“.
Aber Gott sei Dank, immer wenn ich zu pädagogisch werde, dann passt jemand auf mich auf: „Mein Freund der Stein“ in Person meiner Frau Caroline, die den Wurliz immer wieder von weltanschaulichem Ballast befreit, damit durchscheinen kann, worum es eigentlich geht:
Den Kindern eine Freude bereiten!